Scuola di Luigi

Die schönste Daphne aller Zeiten und der Flüchtling
 
Roman
 
SCUOLA DI LUIGI

 

03. 09. 1971, Donnerstag
Arbeitsschicht: 8.00 - 16.00 Uhr

 

Ich habe rechtzeitig gestempelt. Um acht Uhr schalte ich mein Monster ein. Ping, ping!

Eine Stunde arbeite ich ganz brav. Um neun Uhr laufe ich zu meinem Spindel und hole meine Hefte und Kugelschreiber.

Ich zeichne weiter an meiner Erfindung.

Jetzt befestige ich die Häkelnadel an einer Metallstange. Von dieser Stange zweige ich einen Arm nach links ab, und baue an der Spitze einen Stift nach vorne ein. Dieser Stift drückt auf einen Knopf und damit wird ein Elektromotor eingeschaltet.

Der Elektromotor dreht die Stange nur ein begrenztes Grad nach rechts und es wird die Drehung durch einen anderen Stift, welcher auf der rechten Seite die Stange berührt, begrenzt.

Wenn ich den Schaltknopf außerhalb der Schachtel loslasse, wird durch die Feder auch der Einschaltstift hinausgezogen und bleibt der Motor still.

Aber in diesem Fall dreht sich auch der abgezweigte Arm nach rechts und bei der nächsten Betätigung des Geräts ist sie nicht in dem Anfangsstadium.

Also baue ich auf der Stange einen Außenmantel, die Stange bleibt immer gerade und bewegt sich auf einer Schiene, der abgezweigte Arm ist auf dem Mantel gebracht und dreht sich nach dem Ablauf des Prozesses durch eine Feder wieder zurück in die Anfangsposition.

Ich habe zwar gestern Hannes kennengelernt, aber eine Unterhaltung mit ihm ist nicht möglich. Er spricht überhaupt fast nie. Dafür furzt er lautstark im Minutentakt und benebelt seine Umgebung. Leider kann ich die Insassen meines Gefängnisses nicht selbst auswählen.

Die Glocke schrillt. Es ist Leberkäse-Zeit. Ich gehe in die Kantine.

Mir fällt ein Mann auf. Er ist knapp dreißig, dunkelblond, groß und schlank. Wahrscheinlich jemand von hier.

Er schaut mich an. Die einheimischen Arbeiter schauen mich nie an, sie benehmen sich gegenüber mir so, wie wenn ich Luft wäre. Schaut er wirklich mich an oder schaut er nur in die Richtung?

Er lächelt mich an, aber sehr herzhaft.

Ich gehe zu ihm und sage: "Gutn Morgn!"

"Guten Morgen!", sagt er.

Ich reiche ihm meine Hand und sage: "Memo!"

"Luigi!", sagt er.

"Italiano?"

"Si!", sagt er.

"Why are you hier?"

"Amore!"

Seine Frau war in Italien. Er hat sie dort kennengelernt und hierher gefolgt. Sie sind mittlerweile verheiratet, haben ein Kind und Luigi ist hier sesshaft geworden. Er ist mit seinem Leben hier zufrieden.

Luigi versteht sehr wenig Englisch und ich sehr wenig Deutsch. Ich möchte Italienisch lernen, um mich mit meinem neuen Freund besser unterhalten zu können.

"You teach me?, sage ich.

"Si!", sagt er.

Er wird mich besuchen.

Ich bin wieder bei meinem "Ping-Monster".

Ich arbeite eine Weile. Der Schtefan kommt.

Ich sage: "Schtefan, du! Was ischt?"

Er schüttelt seinen Kopf und haut ab ohne dreißig Sekunden zu bleiben.

Ich arbeite weiter. Wird Luigi wirklich kommen?

Luigi ist da. Ich freue mich irrsinnig. Ich hole gleich ein Schulheft und einen Kugelschreiber vom Fensterbrett.

Auf dem dunkelgrauen Schulheft ist eine weiße Etikette.

Luigi nimmt den Kugelschreiber und beschriftet mit langsamen Bewegungen die Etikette;
"Scuola die Luigi".

Jetzt frage ich, und Luigi schreibt in meinem Heft:

Ich?

"io"

Du?

"tu"

Er?

"lui"

Sie?

"lei"

Luigi ist Schneidermeister. Er arbeitet bei der Abteilung Schneiderei. Wie viele Abteilungen gibt's hier noch?

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start: 19 novembre 2017, up-date: 19 novembre 2017