I fall in love

Die schönste Daphne aller Zeiten und der Flüchtling
 
Roman
 
I FALL IN LOVE

 

I fall in love too easily
I fall in love too fast

Chet Baker

 

Mich überfällt die Liebe immer auf den ersten Blick. Dann gibt's für mich kein Entkommen mehr.

Liebe ist eine lebenslängliche Sucht und Leid.

"Happy End" existiert im Leben nicht. Unglückliche Menschen, die von der Nazi Herrschaft aus Europa vertrieben waren, haben in den USA Hollywood aufgebaut. "Happy End" ist ihre Erfindung.

Die Liebe ist der höchste erlebbare Stand des Glücks. Aber sie ist mit einem Ablaufdatum vorgesehen. Ein andauerndes Glück ist prädestiniert, sich zur Langeweile umzuwandeln.

Es ist Jahrzehnte her. Ich habe einmal im Radio eine Stunde lang einem Ehepaar aus der Schweiz zugehört. Sie nannten sich Paartherapeuten und lebten eine lange Zeit zusammen.

Nach ihnen war die Liebe eine permanente Beziehungsarbeit. Ich kann garantieren, die Liebe hat die beiden niemals erwischt. Was sie da erzählten, ist eine Lebensgemeinschaft, eine geschäftliche Partnerschaft.

Für mich ist die Liebe ein nicht absichtlich erstellbarer, aus sich selbst entstehender Zustand, die außer sich selbst keinen Benefit hergibt.

Unabhängig von der Jahreszeit nimmt mich plötzlich der Frühling gefangen. Ich bekomme für eine Weile dauerhafte Glasaugen. Das breite Grinsen auf meinem Gesicht kann ich nicht mehr verändern.

Die Farben beginnen wie noch nie dagewesen zu leuchten. Düfte und Klänge bekommen eine anstrengende Intensität.

Wildfremde Menschen, die ich auf der Straße begegne, lächeln mich freundlichst an und in meinen Wünschen schenke ich an alle Freude.

Ich höre immer wieder die Leute auf Sex bezogen sagen, "Männer sind so…", oder "Frauen sind so…" Nach meiner Erfahrung sind die sexuellen Veranlagungen der Menschen so verschiedenartig, wie es Menschen auf der Welt gibt.

Sex ohne Liebe ist eine Möglichkeit. Das kann auch sehr intensiv und sehr schön sein.

Aber Liebe ohne Sex kenne ich nicht.

Auch die Vorstellung mit Daphne einmal Sex zu haben, war höchstes Geschenk meines Lebens wie ich sie kennen gelernt habe in meinen Gedanken.

Damals hatte ich bereits gelegentliche sexuelle Erfahrungen. Aber Begriffe wie "Veranlagung" oder "Orientierung" kannte ich noch nicht. Damals dachte ich, alle Menschen haben gleiche Triebe und Empfindungen wie ich.

Mittlerweile weiß ich, dass ich der Kategorie der "Bisexuellen" angehöre.

Ein Orgasmus mit einem geliebten Menschen gemeinsam zu erleben ist das höchste Glück, das ich je erfahren habe. Da löst sich mein Ego und Identität auf. Ich löse mich mit meiner Liebe in ein neuerliches Dasein auf. Meine Fingerspitzen berühren die Enden des Universums.

Aber mir ist jetzt noch eine Eigenschaft von mir bewusst: Ich kann nicht monogam sein.

Nach ein paar Ekstasen mit meiner neuen Geliebten wird Sex mit ihr zu einer lästigen Pflicht.

Sex ist auch Motor meines Lebens. Ohne Sex will ich nicht mehr essen. War ich während der glücklichen Phase meiner Liebe manisch, werde ich jetzt tiefst depressiv. Meine außergewöhnlich geprägte Neugier verschwindet. Ich mag nicht mehr lesen. Sogar die Musik wird uninteressant.
Aus sozialem Aspekt bin ich sicher ein liebenswerter Zeitgenosse.

Aber aus sexueller Hinsicht bin ich ein hirnloses, herzloses, aus Instinkten getriebenes Monster.

Ich will nicht was anders sein als ich bin. Aber auch wenn ich will, ist eine Metamorphose möglich? Kann ich morgen ein Adler werden? Ein Löwe? Ein Krokodil? Ein Frosch?

Aus mir wird niemals ein treuer Liebhaber. Aus mir wird niemals ein Ehemann.

Vielleicht werde ich ein liebevoller Vater. Ich mag mit den Kindern spielen.

Aber ich will nicht für den Kapitalismus neue Arbeitssklaven züchten.

Aus mir wird niemals ein Familienvater.

Wegen all diesen Eigenschaften verlassen mich manche meiner geliebten Menschen bald. Dann kommt für mich die lange Trauerfase.

Aber manche akzeptieren meine Art und Weise und bleiben bei mir. So entstehen längere Beziehungen.

Habe ich einen Harem? Keinesfalls.

In einem Harem leben die Sklaven. Meine Lieben sind freie und selbstständige Menschen.

Ich kenne Eifersucht nicht. Ich habe keine Besitzansprüche. Ich stelle niemals solche Fragen wie: "Wo warst du?", oder "Mit wem warst du?"

Wie ich die Daphne kennenlernte, kannte ich meine sexuellen Spezifikationen noch nicht. Aber jetzt weiß ich alles.

Ich habe die Daphne sicher geliebt. Und auch jetzt liebe ich sie. Denn die Liebe ist lebenslänglich.

Und ich rufe sie nach dreiundzwanzig Jahren an und sie will sofort zu mir kommen! Ich bekomme Panik.

Kann ein Wiedersehen gut gehen?

Niemals!

Sie weiß nicht, dass ich ein Monster bin. Was erwartet sie von mir?

Ich werde ihr weh tun. Ich will aber der lieben Daphne nicht weh tun.

Also?

Ich lasse sie im Westbahnhof allein warten. Ich gehe nicht hin.


 
 
 
was bisher geschah
weiter lesen
start: 19 novembre 2017, up-date: 19 novembre 2017