Samatya Camii

 
Volksschule "Zihni Pascha"
Roman
 
SAMATYA (=Psamateia: Griechisch. Neutürkisch: Samatya) CAMII (=Moschee)
 
Sigmundsherberg, 13. 10. 2018
 


Wir haben uns satt gegessen. Das Bier und die warme Prise des Windes, der aus dem Meer kommt, bringt uns zum träumen. Aber meine Mutter hat vor, unser Glück noch mehr zu steigern:

"Langsam gewöhne ich mich an diesen Ort" sagt meine Mutter. "Hier geht es uns allen langsam gut. Ich muss ewas tun, dass wir uns hier besser anpassen. Wir haben hier keine Freunde. Saim! Selim! Wollt ihr nicht einmal in die Moschee in Erenköy beten gehen?"

Mein Vater hat seinen ewigen Schlafzimmerblick und schaut lächelnd in den Himmel. Plötzich ist sein Lächeln weg, er zieht seine mächtigen Augenbrauen hoch und schaut meine Mutter an. Er starrt sie eine Weile ernsthaft an. Und dann sagt er: "Sie haben uns beinahe umgebracht!"

Mein Onkel Saim schaut einmal meine Mutter an, dann meinem Vater, danach fällt er auf seinem Rücken auf die Erde, rollt seine Füsse hoch und lacht in der Embrionenhaltung. Und er lacht und lacht.
"Die Kakalaken!" stöhnt er zwischen durch. Und lacht weiter "Die Holzschlapfen!"

"Nurten!", sagt mein Vater. "Ich habe geschworen, dass ich alles mögliche unternehme für meine Familie. Du kannst von mir alles verlangen. Aber das nicht."

Mein Onkel Saim tanzt mittlerweile am Boden liegend. Von lauter Lachen hat er Tränen in den Augen. Stöhnend sagt er: "In Samatya hast du gesagt , dass wir uns an die Umgebung anpassen müssen. Dazu müssen wir in die Moschee gehen. Weit und breit war dort niemand Muslim. Und die Moschee war eine halbe Stunde zu Fuss entfernt, im Zentrum."

"Ich gebe zu, dass ich freiwillig zugesagt habe.", sagt mein Vater. "Weil ich neugierig war. Weil ich sehen wollte, wie eine Moschee von innen aussieht."

Mein Onkel Saim sagt zu seinem Enischte: "Deine Mutter sagte: Ich bin nicht mehr die Herrin in diesem Haus."

"Ich wollte nur, dass wir nicht so einsam leben. Ich wollte mit den Nachbarn gut sein.", sagt meine Mutter, langsam ein bisschen schuldbewusst.

"Du hast gesagt, dass wir mit dem rechten Fuss das Haus verlassen sollten. Das haben wir auch gemacht. Wir hatten noch unsere teuren Schuhe. In der Moschee, gleich bei dem Eingang, stehen an der Mauer Regale, wo die Moscheebesucher ihre Schuhe ablegen. Da waren aber wenige Schuhe. Lauter Takunya (=Holzschlapfen). Schuhe sind teuer. Nicht alle frommen Muslime haben Lederschuhe.", sagt mein Onkel Saim.

"Ich habe gesagt , das wir unsere Schuhe an unserer Brust unter dem Hemd einstecken sollten."
"Auch damals warst du ein Weiser, Enischte!" Dann sagt er zu meiner Mutter: "Hast du einmal eine Moschee von innen gesehen?"

"Natürlich nicht. Aber es muss sehr schön sein. Mann riecht dort wahrscheinlich den Duft der Engel."

Mein Onkel Saim bekommt neuerliche Lachkrämpfe: "Duft der Engel! Duft der Engel! Nach Schweisshaxen riecht es dort."

"Nicht einmal im Sommer machen sie die Fenster auf." sagt mein Vater.

"Sonst kommt der..." Mein Onkel Saim bekommt vor lauter Lachen keine Luft mehr. "... der Teufel herein! Und wenn es nur der Gestank der Schweisshaxen wäre. Sie schmieren sich mit 'Pilgeröl' ein. Es riecht so penetrant, so schwer, gemischt mit dem sommerlichen Männergeruch..."

"So hat der Mohammed, seine Majestät unseres Propheten, wahrscheinlich gerochen. Das ist der Geruch, der von seinem Land kommt. Wie heisst es dort? Scham? (=Damaskus)."

"Auf jedenfall verkaufen sie das Pilgeröl auf Bauchständen in der Hohengehsteigstraße (=Yüksekkaldirim) vor der Kerhanesokak (=Puffstrasse), unweit vom Zollamt. Damit bezwecken die Freier, dass die Sermaye (=Humankapital) wegen ihrem Geruch sie nicht zurück schickt.

"Selim. Wir haben ein kleines Kind.", sagt meine Mutter.

Warum reden die Erwachsenen so rätselhaft? Ich will möglichst schnell erwachsen sein und alles verstehen.

"Zumindest hat der Imam euch etwas gutes erzählt. Tue nicht so. Ihr habt sicher ewas gutes gelernt."

"Zuerst ist der Teufel im schwarzem Kaftan auf eine Treppe gestiegen und hat etwas in arabisch gesungen. Seine Stimme war nicht besonders schön. Aber ich hätte nichts dagegen, wenn er das bei einem Rakigelage täte.", sagt mein Onkel Saim.

"Gott wird dir das nie verzeihen" sagt meine Mutter.
"Dann hat er aber alles übersetzt. Im Himmel bekommt jeder Muslim 15 Jungfrauen.", sagt mein Onkel Saim.
"Und 15 schwule Sklaven dazu.", sagt mein Vater.

"Mir wird schlecht.", sagt mein Onkel Saim.

"Mir auch.", sagt mein Vater.

"Wir haben ein kleines Kind.", sagt meine Mutter. "Ihr könnt ruhig weiter erzählen aber mit der Acht auf das Kind."

"Naja. Dann kam der schwarze bärtige Teufel im schwarzen Kaftan herunter. Drehte sich um, so dass wir nur mehr seinen Hintern sehen können und begann mit den Gymnastikübungen. Was er tut, machen alle nach."

"Auch wir!" sagt mein Vater. "Auch wir haben alles so gemacht.

Dann haben alle den Boden geküsst und das haben wir auch gemacht. Und dann war der Teufel los."

"Woher sollten wir wissen, dass sie dort Kakalaken züchten?", sagt mein Onkel Saim.

"Überall waren Kakalaken unterwegs. Gerade einer davon krabbelt vor meiner Nase. Und in die Richtung von dem Arsch von dem, der vor mir liegt. Und seine Hose hat einen Riss hinten. Was ist, wenn der Kakalak..."

"Saim!", sagt meine Mutter. Mein Onkel Saim lacht wieder sehr laut. Auch ich finde alles sehr lustig und lache. "Ich habe meinen rechten Schuh von meiner Brust herrausgeholt und vorsichtig auf das Vieh darauf gehaut. Das Vieh ist aber wie das Paschabachtsche-Glas, unzerbrechlich. Dreht sich nach rechts und krabbelt weiter."

"Wir wollten nur etwas gutes tun, und sie haben uns fast umgebracht.", sagt mein Vater.

"Dann habe ich ihn verfolgt.", sagt mein Onkel Saim. "Auf allen Vieren natürlich. Dann haben die Muslimmänner zu husten angefangen. Dann hat einer der am Boden sitzenden seinen Kopf erst nach rechts und dann nach links gedreht. Hat so getan wie dass er jemanden begrüsst. Da war aber niemand."

"Der Gott war da!" schreit meine Mutter.

"Denn haben wir dort nicht gesehen. Dann hat ein anderer Mann auch dasselbe gemacht mit seinem Kopf. Dann mehrere..."

"Da habe ich geschrien: Saim, lauf!"

"Wir sind sofort in unsere Mokasins geschlüpft und haben zu laufen begonnen. Gott sei Dank war die Tür offen."

"Wir sind gelaufen wie die Jagdhunde.", sagt mein Vater. Gott sei Dank hatten unsere Verfolger keine Lederschuhe, sondern nur Holzsandalen. Wir waren schneller."

"Und die Holzsandalen haben auf den Pflastersteinen von der steilen Strasse der Samatya so einen Lärm gemacht...",sagt mein Onkel Saim.

"Den Lärm werde ich nie vergessen. Ich muss gestehen, dass ich wirklich große Angst gehabt habe. Einmal stolpern und du bist tot."

"Mein Gott, ihr solltet beten dort. Was gehen euch die Kakalaken an?

"Mittlerweile hatten wir einen großen Vorsprung. Wir sind bis zum Haus weiter gelaufen, und die schwarzbärtigen Teufeln hinter uns nach.", sagt mein Onkel Saim.

"Endlich waren wir drinnen. Ich habe den schweren Eisenriegel vorgeschoben. Bald waren sie auch da. Sie haben fast eine halbe Stunde an die Tür geklopft mit ihren Takunyas. Aber die Tür war sehr massiv. Dann sind sie langsam wieder zurück gegangen."

"Wenn sie uns erwischt hätten...", sagt mein Onkel Saim. "Dann wären wir Takunya-Tote.", sagt mein Vater.

"Sterben werden wir alle.", sagt mein Onkel Saim. "Aber der Takunya-Tod ist das schlimmste."

Diese Geschichte hat mir sehr gefallen. Mein Onkel Saim hat die ganze Zeit gelacht. Sogar meine Mutter hat immer wieder gelacht.

Und ich? Ich habe noch nie soviel gelacht.

Nur mein Vater lachte nie.

Aber die beiden können so gut erzählen, dass die Zuhörer lachen müssen.

Wie machen sie das? Ich möchte die Kunst des Erzählens unbedingt lernen.

 

 
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start: 09 decembre 2016, up-date: 09 decembre 2016