Nachwort

Die schönste Daphne aller Zeiten und der Flüchtling
 
Roman
 
NACHWORT

 

Am ersten März 2020 bin ich nicht an der aktuell kursierenden Corona Pandemie, aber an einer "altmodischen" Grippe erkrankt.

Ich habe bereits mehrmalige Lungenkrebse und Lungenentzündungen hinter mir. Ich leide nach wie vor an COPD.
So bin ich mit der Rettung in die Intensivstation vom Krankenhaus Horn in Niederösterreich gebracht worden.

Vierzig Fieber, plötzlicher Alkohol- und Nikotinentzug. Ich habe angefangen Halluzinationen zu sehen. Diverse Dämonen, Bestien, deutsche Nazis und türkische graue Wölfe griffen mich an.

Ich sah das Krankenhauspersonal als Feinde und drohte ihnen. Nur, ich hatte keine Kraft irgendetwas Böses anzurichten.

In dem Bett neben meinem lag noch ein alter Mann wie ich. Unsere Lungen erzeugten ähnliche laute Geräusche.
Nach zwei Tagen war mein Nachbar tot. Ich habe gesehen, wie die Krankenpfleger seine Leiche abtrugen. Da sah ich meinen nackten Körper am Seziere Tisch liegen. Bald sollten die Medizinprofessoren und Studenten kommen und mich zerstückeln. Ich wartete und wartete. Es kam aber niemand. Dann war ich zornig geworden. Aber konnte nichts unternehmen, weil ich tot war.

Inmitten dieses apokalyptischen Chaos erschien mir immer wieder das leuchtende Gesicht von Daphne, wie ein Stück Sonnenschein.

So begann ich auf einmal wieder im Jahr 1971 zu leben.

Nein, das war keine Halluzination. War das die Erinnerung? Erinnerung passiert in Gedanken. Was ich erlebte war aber kein Gedanke, sondern ein Leben, welches ich intensiver erlebte als das bisher gewohnte Leben. Alles passierte nicht in der Vergangenheit, sondern jetzt. Nur die Intensität der Farben, Klänge, Gerüche und vor allem Gefühle, überwältigten mich.

Ich kriegte irgendwie von den Gesprächen mit, dass die Ärzte ein paarmal die Hoffnung über mein Weiterleben verloren hatten. Trotzdem wurde ich nach drei Wochen völlig erschöpft aber noch lebendig entlassen.

Bevor ich nach Hause kam, wurde dort eine große Sauerstoff Maschine installiert, welche neben Sauerstoff auch Geräusche wie ein Industriestaubsauger produzierte. Zwei Monate lang war ich ständig, auch beim Schlaf, mit einem durchsichtigen Schlauch an die Maschine angeschlossen.

Auch zuhause sehe ich alle Menschen, die mir nahekommen, als Feinde und beschimpfte sie.

Diesmal brachte mich die Rettung zu einer Psychiaterin. Diagnose: Paranoia.

Insgesamt vier Monate lang, zum ersten Mal im Leben war ich abstinent. 27. Juni ist mein Geburtstag. Da kamen ein paar Freunde mich besuchen. Sie rauchten und tranken Alkohol. Da sie mir anvertraut waren, habe ich mit letzter Kraft geschafft, sie nicht anzugreifen. Ich habe sie um eine Zigarette gebeten. Nach einer Zigarette und einem Glas Wein war meine Paranoia endgültig vorbei.

Die ganze Zeit, trotz aller Déjà-vu Effekte erlebte ich jeden Tag ein paar Stunden im Jahr 1971.

Kaum nach Hause gekommen, noch an die Schläuche angeschlossen, habe ich angefangen, mit halbgeschlossenen Augen meine Erlebnisse niederzuschreiben.

Mein einziges Ziel war, dass ich meine "wiederholten" Erlebnisse irgendwann schriftlich sehe, um festzustellen, was für Wahnvorstellungen ich gehabt habe.

Nach Heilung der Paranoia habe ich alles gelesen. Zu meinem Staunen war alles sehr verständlich formuliert.

So habe ich entdeckt, dass ich die ganze Zeit, ohne zu beabsichtigen, eine Art von Roman schreibe. Dann habe ich beschlossen, mit Disziplin jeden Tag weiterzuschreiben.

Vor ein paar Jahren habe ich täglich durchschnittlich siebzig Seiten geschrieben. Jetzt sehe ich nicht mehr gut und meine Finger zittern zu viel, um die Tastatur richtig zu erwischen.

Ich habe von Anfang an direkt im Internet, mit einer Programmiersprache geschrieben. Ich wollte Daphne nicht darüber benachrichtigen, bzw. belästigen. Aber insgeheim habe ich erhofft, dass sie irgendwann darauf kommt.

03. April 2022 habe ich die letzte Seite eingetippt. Während dessen habe ich die Nachricht bekommen, dass Daphne nicht mehr da ist.


07. April 2022 habe ich diese Seite im Internet veröffentlicht. Danach hat mich die Rettung noch einmal ins Spital in Horn gebracht. Nach zwei Wochen war ich wieder entlassen.

Sie starb am 2. Februar 2020. Ich wusste das nicht. Drei Wochen nach dem Begräbnis begann ich mit meinem Roman.

Seit ein paar Wochen bin ich wieder zuhause. Meine Seele ist in ein schwarzes Loch gefallen und sitzt sehr tief drinnen.

Die Liebe zwischen Daphne und mir begann 1971. Auch bei ihrer Wiederholung nach fünfzig Jahren war sie nicht erlebbar. Eine dritte Chance habe ich nicht.

Es ist bald wieder Sommer. Wer wird meine Rosen gießen?



 

 
 
 
was bisher geschah
start: 19 novembre 2017, up-date: 19 novembre 2017