BALLADE DES VORARLBERGER
FREMDLINGS
Arbeiter sind wir!
Als der Hunger klopfte
an unser Leben
im Vaterland
steckten wir einen Touristenpass
in unsere Taschen
und kamen abgerissen
aus sooo weitem Nirgends.
Auf unseren dunklen
Gesichtern die Sonne der Ferne
sind wir wie die Bäume in Blumentöpfen in Vorarlberg.
Unsere Hände
erreichen nichts.
Unsere Zungen bewegen sich nicht.
Wir sind angewiesen auf ein paar Schilinge.
Drei, fünf
acht, zehn
achtzehn Personen
in den zerfallenen Zimmern von Lustenau,
Dornbirn,
Bregenz
kerben wir dreihundertfünfundsechzig mal
unsere Holzkoffer.
Unsere Augen schauen
auf Deutschland.
Bestimmt geht vorbei,
Vetter,
was du ein Jahr nennst.
Es wird gnädig sein
dieser Österreicher.
Wir werden gehen Vetter,
bestimmt werden auch wir gehen
nach München
nach Berlin
was weiß ich wohin.
Mark werden wir
bekommen
Sohn meines Onkels
Mark!
Das ist Mark, Mann
leicht nur zum Aussprechen.
Das ist Mark, Mann
Mark!
Vierhundertzwanzig Kuruschs
schau
nur ein Stück davon.
Mark werden wir
schicken in die Türkei.
Unsere Augen schauen
auf Deutschland.
Erim´s(1) Augen schauen auf uns
-möge er sie verlieren-.
Mark werden wir schicken in die Türkei,
Mark.
Zinsen werden sie bezahlen an Amerika.
Die Stiefeln des Faschismus werden sie polieren damit.
Europa, was?
Europa!
Aber was ist das für ein Leben, das unsere?
Wir füllen die Schiflis
In der Strickerei Fabrik
all die Tage Gottes.
Wir zählen die Tage Gottes
und füllen das tägliche Leid mein Vetter, in das Folterfass.
Zwei, drei tausend Schilling
unser Monatslohn.
Zehn, fünfzehn Schilling eine Packung Tabak.
Vorbei gehen werden
die Tage,
vorbei!
Hab Geduld!
Es wird zu Ende gehen!
Wenn Samstag kommt
oder Sonntag
stellen wir uns an die Reihe wie die Sebilhane(2) - Becher
vor die Bahnhöfe
manche von uns denken an die Fräulein
mancher an seine Geliebte.
Wenn wir die Augen
zu machen
hören wir den Baglama(3) - Klang
von der Ferne.
Sowie
es schlüpft durch die Wolken
hinunter
ein Baglama-Klang.
Erscheinen unsere Mütter vor uns
unsere Schwestern.
Zwei Tränen fallen hinunter
über unsere Wangen.
Wir verstecken sie!
Soll nicht sehen
der Sohn der Fremden!
Soll nicht sehen unsere Sehnsucht!
Soll nicht sehen
wie welken
die Blumen in unseren Herzen!
Wenn es Nacht wird,
in unseren Träumen
streicheln wir mit unseren dicken,
behaarten Fingern
blonde Haare der
schneeweißen Fräulein.
Frag mich nicht
wie es mir geht!
Bei mir ist es anders!
Ich schaue auf die grünen Berge
Österreichs
und denke an meine eigenen nackten Berge.
Wut und Liebe
werden ein rotes Feuer in meinem Herzen.
Wenn du meine Augen berührst
verbrennen deine Hände.
Die Gefecht Geräusche mischen sich mit dem
Klang vom Saz(4)
und die Hoffnung füllt mein Herz, Vetter.
Freiheit, ich liebe
deine Augen!
Freiheit!
Meine Geliebte!
Unheil meines Kopfes!
Bestimmt werden wir Dich holen
von unseren Bergen hinunter.
Mit Gewehrsalven werden wir ankündigen
an die ganze Welt:
"Auch wir sind frei!
Auch wir sind frei ab jetzt,
achh!
Wir haben niedergeschlagen den Faschismus!
Wir haben nach Hause geschickt den Imperialismus.
Frag mich nicht
wie es mir geht!
Ich bin ein verliebter Dichter.
Und ein blindlings verliebter.
Schlimmer als die blinde Liebe.
Es reicht diese
Sehnsucht!
Zu Ende gehen soll dieses Leid!
Es ist genug!
Und bis zur "National Demokratischen Revolution"
enden alle Gedichte mit dem Spruch
"Nieder mit dem Amerikanischen Imperialismus,
es lebe die vollkommen unabhängige
demokratische Türkei!" (5)