Ich, der Bundespräsident und Mandela

Ich, der Bundespräsident und Mandela
 
Auf dem Schriftstück stand ganz oben „Im Namen der Republik“. Hat man mich beim Schwarzfahren erwischt?

Ich lese weiter. Das ist eine Einladung. Unser sehr geehrter Herr Bundespräsident Heinz Fischer ist so gütig und ladet mich höchstpersönlich zum essen ein.

Er beschloss, statt bei den Begräbnisfeierlichkeiten Nelson Mandelas in Johannesburg teil zu nehmen, im Sinne Mandelas einen Leichenschmaus nach Zulu Art in der Hofburg zu bestellen. Da so ein internationales Menü aus griechischen, italienischen, chinesischen, indischen usw. Anteilen aus 120 Gängen besteht, sah sich Herr Bundespräsident überfordert. Daher hat er mich amtlich beauftragt, in diplomatischer Mission den ganzen Leichenschmaus aufzufressen. Und das binnen kürzester Zeit. Es warten nämlich draußen bereits die Minister der neuen Regierung auf mich, um endlich angelobt zu werden.

Die Würde dieser Mission ist mir voll bewusst. Ich flicke schnell die Mottenlöcher meines Smokings und erscheine beim Tor vor der Hofburg ganz in schwarz. Natürlich nehme ich auch Karin mit. Sie hat auch nichts zu essen. Leider besitzt sie kein schwarzes Kleid. Die Wache bei der Tür akzeptiert kein schwarzes Kopftuch und die Karin bleibt draußen. Ich verspreche ihr, möglichst viele Speisen für sie mitzunehmen. Trotz meines Riesenhungers steige ich die Treppen gemächlich hinauf, um meine Ernsthaftigkeit zu betonen.

Im Audienz-Wartesaal stehen hunderte Männer im Frack wie die Pinguine im Habt acht. Sobald ich den Raum betrete schreien sie im Chor „Yea sou Memo!“. Ich wusste nicht, dass unser Bundespräsident hunderte von Angela Merkel geschädigte Arbeitslose aus Griechenland als Küchenpersonal in der Hofburg anstellte. Das nenne ich die internationale Solidarität. Die Griechen stellen sich in zwei Reihen und zeigen mir den Weg zum Spiegelsaal.

Ich habe mich sehr gefreut, Herrn Bundespräsidenten persönlich kennen zu lernen. Er ist aber nicht da. Im großen Saal in der Mitte stehen nur ein kleiner Tisch und ein Sessel für mich. Etwa 30 Griechen in running suschi Formation laufen im Kreis und bringen mir die Speisen.

Ich war noch nie in so einem internationalen Bankett: Acht Schätze mit Tsatsiki, Lamm Curry mit Spagetti Carbonara, Schweinsbraten mit Sauerkraut und Ketschup, Hotdog mit chinesischer Dackelflüllung...

Raki oder Saki?
Ich bestelle Ouzo.

Dass nenne ich die Vollbeschäftigung: Ein Kellner gießt Ouzo in mein Kristallglas mit Sissibildnis, der andere gibt darauf Leitungswasser und der dritte kommt mit Eiswürfeln.

Auf dem roten Teppich kräulen einige Männer hinter einem lebenden Hummer, bewaffnet mit Sägen und Zangen, um seinen Panzer zu knacken.

Während ich meine Schinkenfleckerln mit Glasnudeln und Béchamel Sauce speise, singen die Wiener Sängerknaben: „O Tannenbaum“.
Der griechische Kellnerchor antwortet sofort: „Rote Rosen aus Athen...“

Ein Kellner sagt diskret zu meinem Ohr: „Einige Minister machen vor der Tür Krawall. Sie haben das dringende Bedürfnis im Herz Jesu Gelöbnis zu leisten.“ Ich frage ihn , ob er einige Speisen zum mitnehmen in Alufolie packen könnte. So etwas führen sie nicht.
Ein Billa-Sackerl vielleicht? „Pietät, mein Herr!“

Draussen ist es kalt. Nebel, Schneesturm... Ich wache auf mit dem Schrei von Karin: „Ich friere hier! Wo bist du?“

Ich bin ganz allein im Bett. Ich bin hungrig schlafen gegangen. Ich brauche gar nicht zu schauen: Der Kühlschrank ist leer. Wenn ich wenigstens ein bisschen Kaffee...


Memo Schachiner, Sigmundsherberg, 19. 12. 2013

Ich wünsche allen meinen FreundInnen frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr.

 
start: 09 decembre 2016, up-date: 09 decembre 2016