Ein Liebesmaerchen für Silvia L.

EIN LIEBESMÄRCHEN FÜR SILVIA L.
als Weihnachtsgeschenk
 


von Memo Schachiner
Sigmundsherberg, am 08. 12. 2011

Es war nicht einmal. Aber diesmal geschah es, korrekt und digital gemessen, vor sieben Zeiten.

Da der Schmerz nicht mehr auszuhalten war, schrie der böse Wolf sehr laut. Das irritierte aber das Rotkäppchen nicht. Die Steine im Bauch des Wolfes- es wusste das genau, denn der Jäger mit den großen Stiefeln hatte ihm das fachmännisch erklärt - waren so schwer, dass er sich nicht bewegen und es bei seiner Arbeit nicht stören konnte. Es nähte seinen Bauch mit seinen zarten, erfahrenen Fingern weiter zu. Als sein Werk vollendet war, sah es, dass es gut war.

Da weinten die Ministranten bitterlich und zogen ihre Unterhosen hoch. Als sie dreimal ihre "Papi unser, gib uns Zucker" aussprachen, lachte das Rotkäpchen viel, und hob seine Nähnadel hoch, um zu sehen, wie das Blut darauf in der Sonne glänzte.

Da kam ein Schmetterling völlig unerwartet vom Himmel, aus einer einsamen Sommerwolke geflogen und landete auf der Spitze der Nähnadel. Die Frau klatschte in ihre Hände, und der Schmetterling flatterte mit seinen Flügeln. Die Luft bewegte sich und das verursachte ein Erdbeben im Orient. Eine der ältesten Zivilisationen der Menschheit sollte damit nicht für immer vollständig zu Grunde gehen, wenn in diesem Land nicht die besten Atomkraftwerke der Welt wirken sollten.

Der Schmetterling machte sich sofort ans Werk: Er baute den luftigsten Regenbogen aller Zeiten aus Lichtkörnern um Rotkäpchen herum. Als der siebenundsiebzigste Stock fertig war und der Dach aus der Atemluft der Vergißmeinnichtblüten darüber gespannt war, flog er hinunter und landete auf ihren Lippen. Ihre Lippen wurden rot und feucht.

Da die einsame Sommerwolke aus lauter Eitelkeit sehr hoch hinaufgestiegen war, vertrocknete die Sonne die ganze Kleewiese auf ihrer Haut. Der Schmetterling war durstig. Er trank von der Lippen der Frau soviel wie ein Schmetterling jemals trinken kann.

Von ihrem süßen Saft betrunken, flog er weg. Er kreiste um die Erde sieben mal, sah viel und hörte viel. Er hörte das Geschrei der kleinen Frauen, die von den großen Kriegshelden vergewaltigt wurden. Er sah in die Augen der kleinen Kinder, die auf ihren Hungertod warteten.

Es wurde mehrmals kalkgestrichenkalt und mehrmals Kirschblütenwarm. Die Haare des Rotkäppchens ergrauten. Es färbte seine Haare und kämmte sie, wusch seine Hände und wusch seine Füße. Da hörte es den gewaltigen Klang der Stille, gesungen von der leichtfüßigen Stimme des Schmetterlings. Die Stimme kam immer näher und bis es merkte was geschah, war sein gesamter Körper mit Rosenblättern umarmt. Als es seine Zehen abtrocknete, landete der Schmetterling darauf und bestäubte diese mit dem Samen der rauschenden Lilien. Da wurden nicht nur die Augen der Frau feucht.

Der Schmetterling saß vor ihren Füßen, schaute hinauf in ihre wunderschönen Augen und sagte:
"Rotkäpchen, du bekommst auch meinen Samen, wenn du mir ein paar Schmetterlingsschuhe in deiner Schuhgröße anfertigst. Ich weiß, dass du geschickte Hände hast. Färbe sie mit der Tränen deiner Kindheit. Wenn du sie an hast, werde ich kommen. Dann werden wir gemeinsam fliegen, um auseinander zu fliegen, um zueinander zu fliegen, um auseinander zu fliegen".

"Du freches Insekt!" sagte das Rotkäpchen, nahm seinen prall gefüllten Korb mit sehr großen, sehr schmackhaften Pilzen und stellte diesen auf dem Kopf des Schmetterlings.


Meine kleine, süße Jägerin und Sammlerin!

Ich schenke Dir auch einen roten Weihnachtsstern und wünsche frohe Weihnachten.

Auch bei mir warst Du schön.

 
 
start: 09 decembre 2016, up-date: 09 decembre 2016